Kanadas Buchbranche bereitet sich auf Frankfurt 2020 vor

Kanadas Buchbranche bereitet sich auf Frankfurt 2020 vor

Kanadas Buchbranche bereitet sich auf Frankfurt 2020 vor

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By Giulia Trentacosti — Article first published in July 2017

Als Teil unserer Serie über Einblicke in die Verlagsbranche schauen wir diesen Monat etwas genauer auf die kanadische Buchbranche und beschäftigen uns insbesondere mit Kanadas Ehrengastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2020. Die Gastlandpräsentation ist Kanadas erstes internationales Großprojekt, das von englisch- und französischsprachigen Akteuren gemeinsam getragen wird und ebenfalls Vertreter der indigenen Völker umfasst. Das Projekt ist Teil einer breit angelegten Strategie, um die internationale Sichtbarkeit kanadischer Verleger und Autoren zu erhöhen. Es hat hauptsächlich zum Ziel, die Exportkanäle und den Rechteverkauf Kanadas zu erweitern. Das Organisationskomitee Canada FBM2020 setzt sich aus Vertretern des englisch- und des französischsprachigen Verlegerverbandes zusammen – Association of Canadian Publishers (ACP) und Association nationale des éditeurs de livres (ANEL) – und wird von einer Reihe von führenden Branchenorganisationen und Exportagenturen wie Livres Canada Books und Québec Edition unterstützt.

 

Einige Zahlen zum kanadischen Buchmarkt:

  • Ontario und Quebec sind bei weitem die aktivsten Regionen und verzeichneten 2014 mehr als 93,3 Prozent des Jahresumsatzes.
  • Verbraucherumfragen zeigen, dass 52 Prozent der Kanadier ihre Bücher in Buchhandlungen und 45 Prozent ihre Bücher online kaufen.
  • Das beliebteste Format ist das Taschenbuch (55 Prozent der Leser bevorzugen dieses Format), gefolgt von Hardcover (25 Prozent), E-Books (17 Prozent) und Hörbüchern (2 Prozent).
  • 64 Prozent der kanadischen Verleger gaben an, dass Online-Verkäufe 1 bis 10 Prozent ihrer Umsätze ausmachen, während 18 Prozent der kanadischen Verleger 11 bis 20 Prozent ihrer Einnahmen mit E-Books erzielen. Mehr Informationen zum Online-Handel finden Sie hier;
  • Das Verhältnis von multinationalen Unternehmen in ausländischer Hand im Vergleich zu Unternehmen in kanadischem Besitz beträgt 30,2 Prozent zu 69,8 Prozent. [Quellen: Stat CanadaOntario Media Development Corporation und Book Net Canada]

 

 

Die meisten großen multinationalen Verlagskonzerne (wie Harper Collins, Penguin Random House, Simon & Schuster und Hachette) unterhalten zwar weiterhin Niederlassungen in Kanada. In den letzten Jahrzehnten förderte die kanadische Regierung jedoch die Entwicklung von Verlagshäusern in kanadischer Hand und regulierte mit dem kanadischen Investitionsgesetz Investment Canada Act ausländische Investitionen. Diese „nationalistische“ Politik hat das Wachstum von kanadischen Verlegern gefördert, die heute auf ca. 1500 geschätzt werden (ihre Anzahl hat sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht) und ca. 80 Prozent der in Kanada geschriebenen Bücher vertreiben.

Die Bemühungen der kanadischen Regierung zur Förderung des nationalen Verlagswesens beschränkt sich nicht nur auf die Regulierung ausländischer Investitionen, sondern umfasst auch die finanzielle Unterstützung und Förderung kanadischer Autoren. Verleger und Autoren haben auf Bundesebene Zugang zu einer Vielzahl an Finanzierungsprogrammen wie Canada Book Fund und Canada Council for the Arts sowie zu vielen regionalen Fördermitteln.

Um mehr über Kanadas Ehrengastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2020 und die allgemeine Lage der Verlagsbranche zu erfahren, haben wir Gillian Fizet, Geschäftsführerin von CANADA FBM2020 interviewt.

 

Giulia: Kanada ist Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse 2020. Können Sie uns schon etwas über die Gastlandpräsentation verraten? Was sind Ihre Hauptziele?

 

Gillian: Seit ich die Funktion der Geschäftsführerin von Canada FBM2020 übernommen habe – ein gemeinnütziges Organisationskomitee, das im Auftrag der kanadischen Buchbranche auf Französisch und Englisch den Ehrengastauftritt Kanadas auf der Frankfurter Buchmesse 2020 vorbereitet – habe ich beim Austausch mit Vertretern der kanadischen Verlagsbranche feststellen können, wie sehr dieses Projekt unsere Kolleginnen und Kollegen interessiert und begeistert. Das Projekt erhält tatsächlich eine sehr breite Unterstützung aus allen Landesteilen Kanadas.

Unsere Hauptziele bestehen darin, Kanada in der internationalen Verlagsszene noch bekannter zu machen, die Exportzahlen nach Deutschland und in andere Märkte bis 2020 und danach zu erhöhen (unser Ziel sind 200 ins Deutsche übersetzte Titel bis 2020) und Verlegern die Instrumente und Ressourcen bereitzustellen, die sie benötigen, um erstmalig in den internationalen Markt einzusteigen.

Zu den Aktivitäten, die für die kommenden zwei Jahre geplant sind, gehören:

 

  • In Partnerschaft mit unseren Finanzierungsprogrammen des Bundes Entwicklung eines Übersetzungsförderungsprogramms für die Übersetzung kanadischer Bücher ins Deutsche.
  • Gestaltung und Herstellung eines Katalogs übersetzter Titel kanadischer Autoren, der genau rechtzeitig für die Frankfurter Buchmesse (FBM) 2017 erscheinen soll.
  • Veröffentlichung eines literarischen Profils für Kanada rechtzeitig für die FBM 2017: einem Marketingtool zur Werbung und Information potentieller Partner über die vielfältige Verlagslandschaft Kanadas.
  • Beratungsgespräche zwischen Verlegern und deutschen Marktberatern, um Kanadier über den deutschen Markt aufzuklären und sie bei ihrer Titelauswahl zu unterstützten.
  • Planung eines Fellowship-Programms für deutsche Verleger in Kanada.
  • Planung eines Fellowship-Programms für kanadische Verleger in Deutschland.
  • Organisation einer Delegation von kanadischen Autoren, die am Ehrengastauftritt 2020 teilnehmen.
  • Organisation eines dynamischen und spannenden Programms zur Präsentation von literarischen und kulturellen kanadischen Talenten 2020 in allen Teilen Deutschlands.
  • Berufliche Entwicklungs- und Networkingmöglichkeiten zur Stärkung der Geschäftsinteressen und Marktchancen im Vorfeld der FBM 2020. 

 

Giulia: Was sind Ihrer Meinung nach im Moment die größten Herausforderungen und Chancen für kanadische Verleger?

 

Gillian: Eine ständige Herausforderung für kanadische Verleger ist die sich ändernde Einzelhandelslandschaft. Es gibt immer weniger große Buchhandlungsketten, immer mehr unabhängige Buchläden müssen schliessen, hinzu kommt der Vertrieb von amerikanischen und französischen Titeln auf dem kanadischen Buchmarkt: Es ist ein hart umkämpfter Markt für kanadische Verleger. Die Änderungen des kanadischen Urheberrechts im Jahr 2012 hatten ausserdem starke Auswirkungen auf die Branche und führten zu deutlichen Einbussen bei Lizenzeinnahmen für Verleger im Bildungsbereich.

Mehr und mehr Verleger sehen daher ihre Chancen im Ausland, ob über Direktverkaufskanäle für den Vertrieb von fertigen Büchern in den USA, Frankreich und anderen französischsprachigen Regionen der Welt oder für den Verkauf von Lizenzen ins Ausland. Der E-Book-Markt bleibt weiterhin stabil und gesund. Viele Verleger sehen auch Chancen auf dem Markt für Hörbücher.

 

Giulia: Inwiefern wird die Branche staatlich unterstützt?

Gillian: Wir haben keine Buchpreisbindung in Kanada. Mit Ausnahme von einer Provinz sind Bücher von der Umsatzsteuer der jeweiligen Provinz oder des jeweiligen Territoriums ausgenommen. Verleger in kanadischer Hand haben kostenlosen Zugang zu Finanzierungsprogrammen von unterschiedlichsten Regierungs- und Drittagenturen, die Betriebs-, Marketing-, Export-, Online- und berufliche Aktivitäten unterstützen.

 

Giulia: Sind kanadische Autoren im Hinblick auf den Verkauf von Lizenzen im Ausland erfolgreich?

 

Gillian: Nach Film und Video stehen Bücher an zweiter Stelle bei den kanadischen Kulturexportartikeln und machen ca. 20 Prozent aller kulturellen Exportartikel aus. Es herrscht aber weitgehend Einigkeit darüber, dass es noch große Möglichkeiten gibt, den Verkauf von Werken kanadischer Autoren im Ausland zu steigern. Zu den wichtigsten Initiativen, die ergriffen werden, um den Lizenzverkauf von Titeln kanadischer Autoren zu fördern, gehören die Bereitstellung von Instrumenten und Ressourcen zum Aufbau von internationalen Geschäftsbeziehungen, die Sicherstellung einer höheren Auffindbarkeit von kanadischen Büchern und der Aufbau von Market Intelligence.

 

Giulia: Wie sieht es mit dem Export in andere französisch- oder englischsprachige Märkte aus?

Gillian: Für französischsprachige kanadische Verleger ist Frankreich der größte Markt und macht den Großteil aller Exportumsätze aus. Für englischsprachige kanadische Verleger sind die USA zweifellos der größte Markt mit dem größten Umsatz. Gleich danach kommen aber das Vereinigte Königreich und Australien.

 

Giulia: Welche Rolle haben Literaturagenten in Kanada? Haben Sie dieselbe Bedeutung wie in den USA?

Gillian: Kanadische Literaturagenten sind ein wichtiger Teil der englischsprachigen Verlagsbranche in Kanada. Sie spielen nicht nur eine Rolle bei der Entdeckung und Präsentation von kanadischen Talenten, sondern tragen auch zum weltweiten Verkauf von Rechten bei. Zum Jahresbeginn gaben 38 kanadische Literaturagenten von 13 Agenturen die Gründung des Berufsverbandes kanadischer Literaturagenten Professional Association of Canadian Literary Agents (PACLA) bekannt, mit dem Ziel, sich für Autoren einzusetzen sowie fachliche Entwicklungsmöglichkeiten und Berufsstandards für Literaturagenten bereitzustellen. Es gibt allerdings sehr wenig französischsprachige kanadische Literaturagenten, die französischsprachige Autoren vertreten.

 

2 Seas Agency vertritt die Auslandsrechte für eine spannende Vielzahl an Verlegern, Literaturagenten und ausgewählten Autoren aus der ganzen Welt und ist exklusiver Film- und TV-Scout für Atlas Entertainment. 

 

     
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